Als Vorstandsmitglied bei Fortuna Düsseldorf war Christian Koke für die Vermarktung eines Produktes verantwortlich, das mit keinen anderen Produkten oder Dienstleistungen vergleichbar ist: Die Fußball-Bundesliga und ihre Vereine besitzen eine Strahlkraft und eine emotionale Stärke als attraktive Arbeitgebermarke. Mit dem Begriff "DNA" tut er sich im Fußballbereich schwer.
In einem Gespräch mit einer Person, die tagtäglich mit purer Emotionalität und Leidenschaft konfrontiert wird, wollte ich als Employer Branding Agentur wissen, was die Arbeitgebermarke „Fußball" so außergewöhnlich stark macht und warum Unternehmen auf der Suche nach qualifizierten jungen Talenten auf ein angepasstes Scouting-System setzen sollten. Außerdem haben wir uns über den Aufbau einer Marke unterhalten, die, im Gegensatz zu Vereinen wie „RB Leipzig“, bei Traditionsvereinen meist intern aufgebaut werden.

Viele Vereine aus der ersten und zweiten deutschen Bundesliga sind geprägt durch eine lange Historie und Traditionen. Welche Kriterien müssen als Marke und Verein erfüllt werden, um den daraus resultierenden Erwartungen bei den Mitarbeiter:innen und Fans gerecht zu werden?
Bei einem Fußballverein bzw. einem Sportverein spielen in den meisten Fällen drei Faktoren eine besondere Rolle: Zum einen, die Tradition und Historie und zum anderen die damit verbundene Emotionalität und Leidenschaft für “meinen Verein“ und schlussendlich auch die Wirtschaftlichkeit. Diese Themen müssen in einen Einklang gebracht werden, der sowohl für die Fans, aber auch für die Mitarbeiter:innen nachvollziehbar ist. Unsere Branche lebt von einer Emotionalität, die mit keinem anderen marketingtechnischen Produkt, und ich tue mich schwer von einem Produkt beim Fußball zu sprechen, vergleichbar ist.
Ein “Produkt“, welches am Wochenende über viele verschiedene Kanäle, wie z.B. das Fernsehen aber auch die sozialen Medien, regional wie auch überregional ausgestrahlt und geteilt wird, ruft somit natürlich weitreichende positive wie auch negative Emotionen aus. Dennoch muss bei aller Emotionalität bei den Verantwortlichen in den Vereinen jegliche Sachlichkeit gegeben sein, denn man darf sich nicht durch die Emotionalität und Leidenschaft fremd steuern lassen.
Die Marke ist für Sportvereine ein dynamischer Unternehmensfaktor, der durch den sportlichen Erfolg, sowohl positiv als auch negativ, gesteuert werden kann. Wie können Vereine dieser Dynamik entgegenwirken, wenn es sportlich nicht gut läuft und somit dann auch der Stellenwert bei Fans und Mitarbeiter einbüßt?
Hier muss deutlich unterschieden werden, zwischen Fan und Mitarbeiter eines Vereins. Der Fan geht doch deutlich emotionaler mit einer Niederlage oder einem Sieg seines Herzensvereins um und das ist auch gut so. Bei den Mitarbeiter:innen, die in vielen Fällen auch Fans des Vereins sind, muss der Fokus anders gesteuert sein und sie dürfen sich nicht zu sehr von den Emotionen des Tagesgeschäftes „Fußballbundesliga“ beeindrucken lassen. Hier können wir auch sehr schön den Vergleich zu unseren Sportlern ziehen: Emotionen und Leidenschaft sind wichtige Faktoren im Spiel. Aber sich nur von Emotionen leiten zu lassen, wird nicht dazu führen, ein Spiel zu gewinnen.
Wir sollten nie das Große und Ganze aus dem Auge verlieren. Bei uns liegt der volle Fokus der Arbeit auf das nächste Spiel am Wochenende und selbstverständlich gehen wir dann wiederum positiv in die nächste Woche, wenn dieses Spiel gewonnen wurde. Bei einer deutlichen Niederlage sieht die Realität bei den Gesprächen mit unseren Partnern anders aus. In Bezug auf die Vermarktung des Vereins sind solche Niederlagen nicht die beste Grundvoraussetzung für erfolgreiche Gespräche mit potenziellen Kunden:innen. Der Sport ist ein sogenanntes Tagesgeschäft und Niederlagen drücken die Stimmung im Verein und auch beim Kunden, weil beide Seiten mit viel Leidenschaft dabei sind. Unsere Aufgabe ist es, den Verein weiterzuentwickeln und nicht alles sofort infrage zustellen, wenn es mal sportlich nicht in die richtige Richtung geht. Hier heißt es, eine langfristige Perspektive und Strategie zu verfolgen und sich nicht zu stark vom Tagesgeschäft erdrücken zu lassen.

Beispiel RB Leipzig: Diese Marke wird stark von außen nach innen aufgebaut. Der Verein als Arbeitgeber wirbt mit den regionalen und wirtschaftlichen Bezügen und gleichzeitig auch mit den unternehmerischen Vorzügen von Red Bull. Glauben Sie, dass RB Leipzig in dieser Form ein Einzelfall ist oder liegt der Erfolg einer Marke doch mehr in der äußerlichen als in der inneren Wahrnehmung?
Einen Fußballclub oder auch eine Marke nehme ich als Fan oder Verbraucher in erster Linie immer erstmal von außen wahr. Also ist doch im ersten Schritt das Image und die vermittelten Werte, für die ich stehe und für die ich meinen Fans bzw. meine Kunden gewinnen möchte, von hoher Bedeutung. Dabei spielt die regionale Ausrichtung und vielleicht auch Einzigartigkeit eine sehr wichtige Rolle. Der Standort Leipzig ist anders als München und Düsseldorf ist anders als Gelsenkirchen. Wichtig ist es, die regionalen Stärken der jeweiligen Regionen für sich als Verein, aber auch als Arbeitgeber bestmöglich zu nutzen.
Bei den meisten traditionellen Sportvereinen ist es unerlässlich, den Markenkern von innen aufzubauen, da der Verein über viele Jahrzehnte durch seine Erfolge und Misserfolge, durch die Geschichten der Menschen um den Verein herum zu dem geworden ist, was er heute darstellt. Alles andere als einen Traditionsverein von innen als “Marke” aufzubauen würde ich als sehr herausfordernd empfinden. Dabei ist eine klare Positionierung, wofür man als Verein steht, unerlässlich.
RB Leipzig bzw. das Unternehmen Red Bull hat einen anderen Weg gewählt und hat aus dem unternehmerischen Sinne heraus eine neue Marke aufgebaut, die von außen auferlegt wurde. Red Bull hat es geschafft, sein Produkt durch die Verbindung zu Extremsportarten kontinuierlich emotional aufzuladen und diese Emotionalität dann auf andere Sportarten wie z.B. Fußball und RB Leipzig zu projizieren. Aus Sicht eine Arbeitgebermarke ist dieser Weg mit Sicherheit hoch spannend, könnte aber mit einem Traditionsclub nicht durchgeführt werden.
Wie in anderen wirtschaftlichen Unternehmen gilt auch beim Fußball die Unternehmen bzw. Vereins-DNA als entscheidender Faktor für den Erfolg als Arbeitgeber. Spielt diese Kultur auch im Bereich der Rekrutierung, also auch im "Scouting", eine entscheidende Rolle?
Der Begriff „DNA“ ist für mich im Bereich Fußball immer sehr schwer greifbar, da es doch viele Punkte gibt, die auf viele andere Fußballvereine zutreffen. Eine DNA ist doch einzigartig. Wir stehen für Werte, wie z.B. Fairness, Tradition und Vielfalt. Diese Werte besitzen aber auch Vereine wie Borussia Dortmund, der VFL Bochum oder der MSV Duisburg und das ist auch gut so, da der Sport eine Vorbildfunktion in vielen Teilen der Gesellschaft besitzt und ihre jeweiligen Werte in unterschiedlicher Art und Weise intern und extern ausleben sollten. Ich persönlich spreche lieber von einer Vereins- oder Unternehmensphilosophie, die der Verein oder das Unternehmen mit Werten auflädt und im besten Fall von Generation zu Generation weitervererbt. Aus meiner Sicht spielt die Vereins-Unternehmensphilosophie eine sehr entscheidende Rolle bei der Rekrutierung von neuem Personal, da es doch sehr wichtig für beide Seiten ist zu wissen, für welche Werte man steht und was man erwarten kann.
Stichwort "Arbeitgebermarke" im Bereich Vereinssport. Die Clubs und Vereine profitieren natürlich von einer hohen medialen Aufmerksamkeit. Was glauben Sie: Welche Faktoren spielen neben dieser medialen Polarisierung noch eine große Rolle, um junge Talente zu überzeugen?
Eines muss klar und deutlich ausgesprochen werden: Hier unterscheidet sich der Sport überhaupt nicht zu anderen wirtschaftlichen Unternehmen. Die Suche nach Talenten gilt bei uns genauso in den Fokus zu rücken, wie andere Unternehmen das auch tun. Zum einen spielt die Liebe zum Sport und die damit verbundene Emotionalität und Leidenschaft zum Verein eine große Rolle. Zum anderen müssen dem Bewerber Perspektiven aufgezeigt werden. Ich glaube, das ist sowohl für den Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle wichtig, wie aber auch für den Profisportler. Es muss deutlich gemacht werden, wohin der Verein gehen will, welche Ziele erreicht werden sollen und natürlich wo die potenziellen Mitarbeiter:innen durch ihre Qualifikationen den Verein auf die nächste Stufe hebt.
Ich persönlich nehme meine Mitarbeiter gerne mit auf einen gemeinsamen Weg. Sie sollen mitgestalten und mich überzeugen, sodass man gemeinsam ein Projekt vorantreibt. Jeder Bundesligaverein steht heute in einem Wettbewerb mit vielen anderen Unternehmungen um die besten Talente. Das gilt nicht nur auf dem Platz, sondern immer mehr auch neben dem Platz.
Die Kommunikation der Arbeitgebermarke ist ein wichtiges Thema. Viele Unternehmen, darunter auch Fußballvereine, tun sich schwer, sich selber als attraktiven Arbeitgeber zu kommunizieren. Die sozialen Medien spielen dabei eine essenzielle Rolle. Wo sehen Sie in dieser Thematik die größten Chancen und Risiken?
Ich denke, obwohl der Fußball alle Mittel hat seine Arbeitgebermarke für den richtigen Bewerber zu emotionalisieren, wurden in der Vergangenheit auch bei uns Fehler gemacht. Wir müssen uns mit diesem Thema und mit den zur Verfügung stehenden Kanälen künftig viel stärker auseinandersetzen. Aus Sicht der Rekrutierung muss sehr selektiert angeschaut und überlegt werden, für welchen Bereich welcher Spezialist benötigt wird und auf welcher Plattform dieser dann entsprechend mit dem richtigen Content angesprochen werden soll. Dabei sehe ich für Unternehmen wie auch für Vereine einen Punkt als elementar wichtig an: Wenn es nicht authentisch rüberkommt, lasst es lieber bleiben. Für uns als Arbeitgeber ist das bestimmt einfacher als für wirtschaftliche Unternehmen, weil unsere Branche doch sehr von der Leidenschaft und Emotionalität der schönsten Nebensache der Welt profitiert und damit sind wir wieder beim Anfang unseres Gespräches:-).
Sportvereine setzen seit Jahren auf ein stark entwickeltes Scouting-System, um frühzeitig junge Talente zu erkennen, zu selektieren und schlussendlich an den Verein zu binden. Glauben Sie, dieses System ist in einer angepassten Art und Weise für andere Unternehmen denkbar und realisierbar?
Vermutlich hat der Sport in diesem Bereich tatsächlich eine Vorreiterrolle eingenommen. Mit diesem System schauen wir uns sehr detailliert und genau an, welche Talente für welche Position auf dem Markt zu finden sind. Welcher Spieler passt zum Verein, in das Spiel-System und natürlich auch in den wirtschaftlichen Rahmen? Wenn dieses Scouting-System in den Kontext der Rekrutierung bei Unternehmen eingesetzt würde, dann sehe ich das als enorme Chance. Allerdings muss man natürlich, den Unterschied zum Sport sehen. Bei uns stehen die guten Sportler oder auch die ambitionierten Nachwuchstalente, Woche für Woche auf dem Platz. Es gibt auch kommerzielle Plattformen wie z.B. Transfemarkt.de, welche die “neuen” Mitarbeiter:innen im Fußballbereich sehr Sichtbar machen. In der Wirtschaft ist die Sichtbarkeit deutlich herausfordernder, da der Markt aus nicht so einer öffentlichen “Blase”, wie es der Fußball tut, besteht. Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass eine Art von Scouting-System einem Unternehmen viele Vorteile bringen würde.
Wie sehen Sie den Entwicklungen der Digitalisierung, des Wertewandels und des demografischen Wandels in ihrer Branche entgegen? Bleibt der Fußball privilegiert oder muss auch die Sportbranche bald umdenken?
Auch in unserem Bereich spürt man den demografischen Wandel und natürlich spielt die Digitalisierung eine große Rolle. Es ist wichtig, sich mit neuen Modellen auseinanderzusetzen, um Fans und Mitglieder zu erreichen, aber auch neue Mitarbeiter:innen von der Arbeitgebermarke „Fußballverein“ zu überzeugen.
In den meisten Vereinen erkennt man diesen Wandel in der Altersstruktur der Mitgliedschaft, die in der Tendenz eher im höheren Alter liegt. Ich persönlich sehe es als eine der größten Herausforderungen für unsere Branche an, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Gewinnung von jungen Fans und Mitgliedern aussieht oder wie eine langfristige Mitgliedschaft aussehen kann. Andere Branchen wie z.B. die Streaming Dienste machen es uns vor. Junge Menschen wollen sich gefühlt nicht mehr so lange binden und tun es dann aber über neue Modelle doch. Nur wenn der Fußball seine Strahlkraft durch die Fans und Mitglieder beibehält und dadurch hohe Reichweiten erzielt, werden wir auch als Arbeitgebermarke einen privilegierten und faszinierten Platz einnehmen können.